Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.02.2023, Az.: 1 A 4444/20

Erforderlichkeitsprinzip; Grundstücksanschluss; Kostenerstattung; Regenwasseranschluss; Schmutwasseranschluss; Kostenerstattung für Grundstücksanschlüsse

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
20.02.2023
Aktenzeichen
1 A 4444/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 44890
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0220.1A4444.20.00

Fundstelle

  • KommJur 2023, 155-160

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Sieht eine gemeindliche Satzung eine Kostenerstattung für Grundstücksanschlüsse in der tatsächlich entstandenen Höhe und nicht nach Einheitssätzen vor, schließt dies nicht aus, dass mit dem durchführenden Unternehmen pauschalierte und gestaffelte Preise für typischerweise zu erbringende Leistungspositionen vereinbart werden (vgl. bereits Urt. d. Einzelrichters d. Kammer v. 16.08.2022 - 1 A 4065/20 -, juris Rn. 20). Für erforderlich werdende unvorhergesehene Arbeiten verbleibt (nur) die Möglichkeit der Spitzabrechnung (Stundenlohnarbeiten).

  2. 2.

    Wenngleich eine Gemeinde gehalten ist, die Abwasseranlage und die Grundstücksanschlüsse in einem technisch einwandfreien Zustand zu halten, um eine Störung der Ortsentwässerung zu vermeiden, lassen geringfügige Undichtigkeiten eines Regenwasseranschlusskanals nicht sogleich den Schluss auf dessen Erneuerungsbedürftigkeit zu. Für einen bestehenden Regenwasseranschluss ist nicht die gleiche Dichtigkeit wie für einen Schmutzwasseranschluss zu fordern.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2020 wird aufgehoben, soweit dieser einen Kostenerstattungsbetrag von mehr als 1.906,95 EUR festsetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu 57 % und der Kläger zu 43 %.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem er zur Erstattung von Kosten für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen aufgefordert wurde.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks "E. F. ". Die Beklage plante, im Zuge einer Straßenerneuerung und einer Erneuerung der Hauptkanäle der Kanalisation auch die Grundstücksanschlüsse für Schmutz- und Regenwasser bei Bedarf zu sanieren. Am 10. September 2015 fand eine Kamerabefahrung von Regen- und Schmutzwasseranschlussleitung des klägerischen Grundstücks statt. In den Leitungsberichten zur Schmutzwasserleitung (Steinzeug, 150 mm Durchmesser, 6,20 m Länge) ist von Lageabweichungen, Versätzen und Unterbögen sowie von Fremdwasserzulauf die Rede; bei der Regenwasserleitung (Beton, 150 mm Durchmesser, 8,00 m Länge) von Muffenversätzen. Infolge der Kamerabefahrung gingen die Stadtwerke G. GmbH bzw. die Beklagte für das klägerische Grundstück von einem Sanierungsbedarf der beiden Grundstücksanschlüsse aus. Der Kläger vertrat beim Ortstermin am 10. April 2018 die Auffassung, dass Schäden an den Anschlussleitungen bei den Arbeiten an der Straßenbeleuchtung durch Dritte verursacht worden wären und er für diese nicht verantwortlich sei. Mit E-Mail vom 18. April 2018 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass dies nicht bestätigt werden könne. Es sei nie klar zu bestimmen, wer für Schäden an Kanalisationsnetzen verantwortlich sei. Mit Schreiben vom 8. August 2019 teilte die Stadtwerke G. GmbH dem Kläger Termine zur Besprechung des Umfangs und des Ablaufs der Sanierungsarbeiten an den Anschlussleitungen einschließlich der Kontrollschächte mit. Die Stadtwerke G. GmbH veranlasste schließlich eine Erneuerung der Leitungen. Die Arbeiten wurden von dem Unternehmen H. GmbH & Co. KG durchgeführt, welches sich zuvor bei einer Ausschreibung durchgesetzt hatte.

Das von der Stadtwerke G. GmbH beauftragte Unternehmen legte unter dem 2. Juni 2020 zwei das klägerische Grundstück betreffende Rechnungen vor. Die Rechnung für den Schmutzwasseranschluss belief sich auf 1.630,43 EUR und die Rechnung für den Regenwasseranschluss auf 1.879,67 EUR jeweils ohne Umsatzsteuer. Die Rechnungen wurden von einem damit beauftragten Ingenieurbüro geprüft und blieben unbeanstandet.

Mit Bescheid vom 27. Juli 2020 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für die Herstellung der Grundstücksanschlusskanäle einen Kostenerstattungsbetrag i. H. v. 4.408,00 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach der Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung die durch die Herstellung der Grundstücksanschlusskanäle entstandenen Kosten nach dem tatsächlichen Aufwand vom Grundstückseigentümer zu erstatten seien. Die Rechnungsunterlagen könnten bei der Stadtwerke G. GmbH eingesehen werden. In der beigefügten Kostenaufstellung der Stadtwerke G. GmbH wurde neben den Rechnungsbeträgen des Unternehmens H. ein Betrag i. H. v. 194,10 EUR für Bauaufsicht/Abrechnung/Verwaltung (drei Stunden zu je 64,70 EUR) in Ansatz gebracht.

Der Kläger hat am 21. August 2020 Klage erhoben. Die bei der Kamerabefahrung 2015 festgestellten Verschiebungen in den Rohren seien dadurch entstanden, dass zuvor Versorgungsträger Erdarbeiten vorgenommen und Leitungen verlegt hätten. Darauf habe der Kläger bereits 2017 hingewiesen. Die Beklagte sei bei der Ausführung der Arbeiten der Versorgungsträger ihrer Überwachungspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Entstandene Schäden an den Anschlussleitungen hätten auf eigene Kosten repariert werden müssen; es sei Aufgabe der Beklagten gewesen, ihrer Überwachungspflicht nachzukommen und Schäden von den Anliegern fernzuhalten. Die Arbeiten hätten kontrolliert werden müssen und es hätte darauf gedrängt werden müssen, Beschädigungen sofort zu beheben. Dies könne nicht auf den Bürger abgewälzt werden. Es habe sich um mehrere Maßnahmen von Versorgungsträgern gehandelt, da an mindestens drei Stellen Versorgungsleitungen verlegt worden seien. Zudem sei die Abrechnung nicht ordnungsgemäß. Es seien in den Rechnungen Kostenpositionen für die Herstellung von Schachtanschlüssen enthalten, obwohl die alten Schachtanschlüsse beibehalten worden seien. Beim Regenwasseranschluss sei sogar ein Teil der Zuleitung außerhalb stehen geblieben. Bei beiden Anschlüssen seien die Endstücke und Übergangsmuffen nicht erneuert worden. Die Baufirma hätte diese Vorgehensweise gewählt, weil es für sie wesentlich einfacher gewesen sei. Es könne nicht die Rede davon sein, dass der Aufwand für die Herstellung eines Anschlusses direkt am Schacht genauso hoch sei. Es sei die einfachste und schnellste Lösung gewählt worden, abgerechnet worden sei aber eine Komplettherstellung. Bei der Mehrwertsteuer hätte lediglich der ab dem 1. Juli 2020 geltende Steuersatz von 16 % angesetzt werden dürfen, da die Abnahme der Baumaßnahme am 12. August 2020 gewesen sei.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2020 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es könne nicht bestätigt werden, dass Dritte für die entstandenen Schäden verantwortlich seien. Schäden im Kanalnetz beruhten immer auf einer Vielzahl von Einflussfaktoren. Die Beschädigungen an unterschiedlichen Stellen könnte nicht durch eine einzelne Maßnahme eines Versorgungsträgers entstanden sein. Die bei der TV-Untersuchung festgestellten Schäden seien nicht mit dem Bau von Versorgungsleitungen in einen Kausalzusammenhang zu bringen. Selbst wenn einzelne Beschädigungen auf Arbeiten von Dritten zurückzuführen wären, wären die Anschlussleitungen in ihrer Gesamtheit als sanierungsbedürftig eingestuft worden. Leitungen aus Steinzeug seien sehr alt und wiesen auch bei anderen Anschlüssen in derselben Straße ähnlich starke Beschädigungen auf. Bei der Schmutzwasserkanalisation habe es sich größtenteils um die ab 1912 verlegten Kanäle gehandelt. Auch beim Regenwasseranschluss handele es sich um typische Schäden; Betonrohre mit einem Durchmesser von 150 mm würden schon seit längerer Zeit nicht mehr eingebaut. Im Übrigen könne einer Kommune nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts eine mögliche Verursachung von Schäden durch Dritte im Zusammenhang mit einer Kostenerstattung nicht entgegengehalten werden. Die Leistungen "Schachtanschluss herstellen" seien erbracht worden. Die Aufwendungen für das Verbinden einer Anschlussleitung mit einer vorhandenen Kunststoffleitung seien mit den Aufwendungen für eine Verbindung mit dem Schacht gleichzusetzen. Bei Einholung eines Nachtragsangebots wären die Kosten weitaus höher ausgefallen. Es seien lediglich die tatsächlich entstandenen Kosten entsprechend der Rechnung des bauausführenden Unternehmens in Ansatz gebracht worden, die erforderlich und angemessen gewesen seien. Eine Falschbezeichnung sei unschädlich. Der Regenwasserkanal sei sanierungsbedürftig gewesen. Leckagen führten zu Auswaschungen und diese wiederum zu einem Absacken von Gehweg oder Fahrbahn. Auch führten Leckagen zu Sandeintragungen, die herausgespült werden müssten. Zudem seien bei Leckagen die hydraulischen Berechnungen für die Genehmigungen für die Einleitung in die Vorflut unzutreffend, was mit Blick auf den Hochwasserschutz nicht hinzunehmen sei. Der Leistungszeitraum habe sich von März bis Mai 2020 erstreckt und die Fertigstellung sei damit vor dem 30. Juni 2020 gewesen, sodass der Mehrwertsteuersatz 19 % betrage. Am 12. August 2020 sei die Abnahme der Arbeiten zur Erneuerung und Verbesserung der Fahrbahn sowie des Gehweges erfolgt, wobei es sich um eine eigenständige Maßnahme gehandelt habe. Die Leistungen "Straßenbau" und "Kanal" seien getrennt vergeben und abgenommen worden. Die zusammengefasste Ausschreibung habe Synergieeffekten dienen sollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs nebst Datenträgern mit Aufnahmen der Kamerabefahrungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Über die Klage entscheidet nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 9. November 2022 der Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO). Da die Beteiligten für den - eingetretenen - Fall des Widerrufs des im Verhandlungstermin am 12. Dezember 2022 geschlossenen Vergleichs übereinstimmend auf eine (weitere) mündliche Verhandlung verzichtet haben, ergeht das Urteil im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet. Der angefochtene Kostenerstattungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit ein Kostenerstattungsbetrag von mehr als 1.906,95 EUR festgesetzt wurde. Ein Kostenerstattungsanspruch der Beklagten ist hinsichtlich der Erneuerung des Schmutzwasseranschlusskanals dem Grunde nach gegeben und in der geltend gemachten Höhe überwiegend gerechtfertigt. Beim Regenwasseranschlusskanal war hingegen nicht von einer Erneuerungsbedürftigkeit auszugehen, so dass sich die Festsetzung einer Kostenerstattung schon deshalb als rechtswidrig darstellt. Im Einzelnen:

1.

Rechtsgrundlage der mit dem angefochtenen Bescheid geforderten Kostenerstattung ist § 8 NKAG i. V. m. § 20 Satz 1 der Abgabensatzung für die Abwasserbeseitigung - ABAS - der Beklagten.

a) Nach § 8 Satz 1 NKAG können die Gemeinden bestimmen, dass ihnen die Aufwendungen für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung sowie die Kosten für die Unterhaltung eines Grundstücksanschlusses an Versorgungsleitungen und Abwasseranlagen in der tatsächlich entstandenen Höhe oder nach Einheitssätzen erstattet werden. Von dieser durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit hat die Beklagte Gebrauch gemacht, indem sie eine entsprechende Regelung in § 20 Satz 1 ABAS aufgenommen hat. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Aufwendungen für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung, Beseitigung, Unterhaltung und Reinigung der Grundstücksanschlusskanäle der Stadt nach tatsächlich entstandenem Aufwand zu erstatten sind. Nach § 9 der Abwasserbeseitigungssatzung - ABS - der Beklagten lässt diese die Anschlusskanäle für die Schmutz- und Niederschlagswasserableitung einschließlich des Revisionsschachtes auf dem Grundstück herstellen. Nach § 2 ABS gehören Anschlusskanäle endend hinter dem ersten Revisionsschacht auf dem Grundstück zur zentralen Schmutz- bzw. Niederschlagswasseranlage.

b) Die Unterscheidung zwischen den in § 8 Satz 1 NKAG genannten Maßnahmen (Herstellung, Erneuerung, Veränderung, Beseitigung, Unterhaltung) ist regelmäßig nur dann von Relevanz, wenn es die Gemeinde unterlässt, eine Erstattungspflicht für alle Maßnahmen in ihrem Satzungsrecht vorzusehen, weil beispielsweise die bloße Unterhaltung über Benutzungsgebühren refinanziert werden soll (vgl. Unkel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2022, § 10 Rn. 25). Allen in § 8 Satz 1 NKAG und § 11 ABAS genannten Maßnahmen hinsichtlich der Grundstücksanschlüsse ist gemein, dass sie einen Ersatzanspruch nur rechtfertigen können, wenn sie selbst rechtmäßig sind. Art und Umfang der Maßnahme werden indessen durch die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung und Abwägung der Belange der Gemeinde und des betroffenen Grundstückseigentümers bestimmt. Ein solches Ermessen ist der Gemeinde demgemäß auch bei der Entscheidung eingeräumt, ob und wann es infolge Verschleißes des Grundstücksanschlusses einer Erneuerung bedarf. Das Ermessen der Gemeinde wird aber durch die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit begrenzt, was bedeutet, dass die Gemeinde ihre Tätigkeit auf betriebsnotwendige Maßnahmen zu beschränken hat (vgl. Unkel, a. a. O. § 10 Rn. 26 ff.). Eines Sonderinteresses bzw. eines Sondervorteils des Grundstückseigentümers an der konkreten Maßnahme, wie er nach dem nordrhein-westfälischen Landesrecht für notwendig erachtet wird (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 23.03.2018 - 15 A 990/17 -, juris Rn. 11), bedarf es bei § 8 Satz 4 NKAG i. V. m. § 6 Abs. 1 NKAG nach Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts allerdings nicht; es lässt "besondere wirtschaftliche Vorteile" ausreichen (Nds. OVG, Beschl. v. 04.02.2021 - 9 LA 6/20 -, V. n. b., unter Bezugnahme auf den früheren Senatsbeschluss v. 17.03.2000 - 9 L 4271/99 - juris, Leitsatz und Rn. 5).

c) Aus der gesetzlichen Verpflichtung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 WHG, Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird, folgt, dass die Gemeinde die Abwasseranlage und die Grundstücksanschlüsse in einem technisch einwandfreien Zustand zu halten hat, um eine Störung der Ortsentwässerung zu vermeiden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 13.10.2000 - 9 L 1629/00 -, juris Rn. 5 f.; VG Arnsberg, Urt. v. 19.11.2004 - 13 K 2429/03 -, juris Rn. 32). Daraus ergibt sich, dass die Gemeinde Grundstücksanschlüsse nicht erst dann erneuern darf, wenn ein Schaden bereits eingetreten ist, sondern eine Erneuerung schon dann vornehmen kann, wenn deren Zustand in absehbarer Zeit nach den Regeln der Entsorgungstechnik verschleißbedingte Störungen erwarten lässt (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 13.10.2000 - 9 L 1629/00 -, juris Rn. 5 f.; VG Arnsberg, Urt. v. 19.11.2004 - 13 K 2429/03 -, juris Rn. 32). Ein Ermessensfehlgebrauch bei dem der Gemeinde eingeräumten Einschätzungsermessen kann bei einer beabsichtigten Erneuerung etwa dann vorliegen, wenn die Gemeinde als Betreiberin der Entwässerungseinrichtung einen festgestellten Unterhaltungsbedarf über Jahre hinweg aufschiebt, bis der Verschleiß auch infolge der Reparaturbedürftigkeit so groß geworden ist, dass der Reparaturaufwand unverhältnismäßig hoch geworden ist ("aufgestauter Reparaturbedarf", vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 20.11.2006 - 9 LA 386/05 -, juris. Rn 10: VG Göttingen, Urt. v. 27.05.2015 - 3 A 376/13 -, V. n. b.; dazu nachgehend Nds. OVG, Beschl. v. 29.06.2016 - 9 LA 90/15 -, V. n. b.). Die Ursache der Verschlissenheit hat indessen keine eigenständige Bedeutung, wenn die übliche Nutzungszeit bereits abgelaufen ist. Lediglich eine vorzeitige, also eine vor Ablauf der normalen Nutzungszeit erforderlich werdende Erneuerung unterliegt der vorstehend beschriebenen Beschränkung (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 12.07.2017 - 15 E 70/17 -, juris Rn. 29).

2.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist der festgesetzte Kostenerstattungsbetrag hinsichtlich des Schmutzwasseranschlusses zwar nicht dem Grunde nach, wohl aber in der Höhe zu beanstanden.

a) Nach Einschätzung des Einzelrichters durfte die Beklagte von einer Erneuerungsbedürftigkeit des Schmutzwasseranschlusskanals des klägerischen Grundstücks ausgehen. Bei Haltungen/Leitungen aus Steinzeug wird in den Richtlinien "Baufachliche Richtlinien Abwasser - Arbeitshilfen zu Planung, Bau und Betrieb von abwassertechnischen Anlagen in Liegenschaften des Bundes" (https://bfr-abwasser.de/Materialien/Texte/220707bfr_abwasser.pdf) - nachfolgend: BFR - von einer technischen Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren ausgegangen. Diese Richtlinien gelten zwar nicht unmittelbar für Grundstücksanschlüsse, die von Kommunen für Privatgrundstücke hergestellt werden, bieten aber Orientierungspunkte. Generell beinhalten Richtlinien keine starren Vorgaben oder Bindungen für den Einzelfall; eine Erneuerung kann im Hinblick auf die konkreten Umstände bereits vor Ablauf der Zeitspanne gerechtfertigt sein (vgl. Unkel, a. a. O. § 10 Rn. 21). Letztlich bezieht sich die "technische Lebensdauer" nämlich auf normale Bedingungen; es liegt auf der Hand, dass im Einzelfall aufgrund von z. B. auf die Leitungen wirkenden Kräften ein Verschleiß auch wesentlich früher eintreten kann.

Unklar ist geblieben, wie alt der aus Steinzeug bestehende alte Schmutzwasseranschlusskanal des klägerischen Grundstücks war. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass Steinzeugrohre bereits ab 1912 verlegt worden seien; der Kläger hat geschildert, dass das von ihm 1993 übernommene Haus im Jahre 1852 erbaut worden sei und nach seiner Kenntnis die Straße nebst Kanälen bereits 1970 erneuert worden sei. Es lässt sich unter Zugrundelegung dieser Angaben nicht klar festlegen, ob es sich um eine nach Ablauf der normalen Nutzungszeit vorgenommene Erneuerung handelte, wenngleich dies die wahrscheinlichere Variante sein dürfte.

Maßgeblich ist indessen, dass die im Jahre 2015 durchgeführte Kamerabefahrung des Schmutzwasseranschlusses ergab, dass zahlreiche Lageabweichungen, Versätze und Unterbögen sowie auch Fremdwasserzulauf vorhanden waren. Der Einzelrichter konnte sich von dem Zustand der Leitung durch Einsicht in die Videoaufnahmen selbst ein Bild machen. Wenngleich die Leitung sich 2015 nicht etwa als völlig marode zeigte, erscheint eine schadlose Schmutzwasserbeseitigung nicht mehr hinreichend gewährleistet. Es liegt auf der Hand, dass bei ausdringendem "Schwarzwasser" (mit Urin und Fäkalien belastetes häusliches Wasser) und "Grauwasser" (sonstiges häusliches Abwasser) sowie eindringendem "Fremdwasser" (unbelastetes Grund- und Oberflächenwasser) von einer schadlosen Schmutzwasserbeseitigung nicht gesprochen werden kann. Ausdringendes Schmutzwasser belastet Boden und Grundwasser; eindringendes Fremdwasser belastet wegen des Anstiegs des Abwasservolumens die Kläranlage, obwohl es selbst nicht klärungsbedürftig ist.

Der Einwand des Klägers, dass die Schäden an den Leitungen durch Arbeiten von Versorgungsträgern verursacht worden seien, führt zu keinem anderen Ergebnis und lässt einen Kostenerstattungsanspruch nicht entfallen. Die Darstellung der Beklagten, dass ein Kausalzusammenhang mit anderen Arbeiten nicht erkennbar sei, sondern es sich um typische Schadensbilder gehandelt habe, die auch an anderen Grundstücksanschlüssen aufgetreten seien, hält der Einzelrichter für überzeugend. Die Darstellung des Klägers, dass letztlich allein die Arbeiten anderer Versorgungsträger und dabei verursachte Schäden maßgeblich für die Sanierungsbedürftigkeit der Leitungen in Gänze gewesen seien, bleibt deshalb letztlich eine Vermutung, die einer weiteren Aufklärung auch nicht (mehr) zugänglich ist. Es kann daher offenbleiben, ob unter welchen Umständen die Beklagte sich bei durch Erdarbeiten verursachten Schäden vorrangig an Schadensverursacher zu halten hat (vgl. dazu Urt. eines anderen Einzelrichters d. Kammer v. 08.11.2019 - 1 A 7323/18 -, n. v., Berufung zugelassen durch Beschl. d. Nds. OVG v. 04.02.2021 - 9 LA 6/20 -).

b) Der festgesetzte Kostenerstattungsbetrag für den Schmutzwasseranschlusskanal ist allerdings der Höhe nach um die angesetzten Kosten für die Herstellung des Schachtanschlusses (125,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer) zu kürzen.

aa) Die Vorgehensweise der Beklagten bei der Kostenabrechnung verstößt zunächst nicht etwa deshalb gegen ihr eigenes Satzungsrecht, weil § 20 ABAS keine Erstattung nach Einheitssätzen vorsieht, mit dem mit der Durchführung beauftragten Unternehmen aber pauschalierte und gestaffelte Preise für typischerweise zu erbringende Leistungspositionen vereinbart wurden. Die Ermittlung der Kosten nach den durch die konkrete Maßnahme an dem einzelnen Anschluss entstandenen Aufwendungen im Verhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Gemeinde steht einer solchen vertraglichen Ausgestaltung im Verhältnis zwischen Gemeinde und Unternehmen - die bei Ausschreibungen auch durchaus üblich ist - nicht entgegen. Unzulässig wäre es lediglich, wenn zwischen Gemeinde und Unternehmen eine Pauschale pro Anschluss vereinbart ist und diese Pauschale im Rahmen des Erstattungsanspruchs ohne weitere Differenzierung "1:1" an alle Grundstückseigentümer weitergegeben wird, obwohl die Satzung eine Kostenerstattung nach der tatsächlich entstandenen Höhe vorsieht (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 08.07.1998 - 5 UE 3146/97 -, juris Rn. 24 f.). Eine solche Ausgestaltung liegt hier nicht vor. Die Preise stellen keine Pauschale pro Anschluss dar, sondern sehen typischerweise anfallende Leistungspositionen und teils Tiefenstaffelungen vor. Dass dadurch ein etwas gröberes Raster entstehen mag, ist nach Auffassung des Einzelrichters unbedenklich und bedeutet nicht etwa, dass die Beklagte in der Satzung zwar eine Erstattung nach den konkreten Aufwendungen vorsieht, bei Lichte betrachtet aber tatsächlich doch nach Einheitssätzen abrechnet. Für eine Abrechnung nach Einheitssätzen wäre es zudem erforderlich, dass unmittelbar in der Satzung Sätze pro laufendem Meter Anschlussleitung festgelegt werden (vgl. Unkel, a. a. O., § 10 Rn. 38). Die Zulässigkeit von gestaffelten Leistungspositionen hat zur Folge, dass der Kläger keine generelle "Spitzabrechnung" bezogen auf die konkret für sein Grundstück erforderlichen Tiefen beanspruchen kann.

bb) Den Einwand des Klägers, dass die Herstellung eines Schachtanschlusses abgerechnet, aber nicht vorgenommen worden sei, hält der Einzelrichter für überzeugend. Die Beklagte räumt letztlich selbst ein, dass kein Schachtanschluss hergestellt worden sei, sondern dass die Aufwendungen für das Verbinden einer Anschlussleitung mit einer vorhandenen Kunststoffleitung mit den Aufwendungen für eine Verbindung mit dem Schacht gleichzusetzen seien. Dies überzeugt nicht. Wenn das konkretisierte Leistungsverzeichnis des Einheitspreisvertrages für einen bestimmten Aufwand keine Kostenposition vorsieht, kann nach Auffassung des Einzelrichters nicht etwa ersatzweise eine Kostenposition ausgewählt werden, die dem getätigten Aufwand vergleichbar erscheint. Fallen Arbeiten an, für die eine Leistungsposition für typischerweise zu erbringende Leistungen nicht vorgesehen ist, verbleibt nur die Möglichkeit einer Spitzabrechnung. Für entsprechende unvorhergesehene Arbeiten, für die keine Leistungsposition "greift", werden nach Kenntnis des Einzelrichters aus anderen Verfahren in Einheitspreisverträgen Stundenlohnarbeiten vereinbart, wobei diese dann im Einzelfall vom Auftraggeber "freigegeben" werden. Dass dieser Weg vorliegend nicht beschritten wurde, geht zu Lasten der Beklagten. Es kann nicht etwa eine nach Einschätzung des beauftragten Unternehmens und der Beklagten "halbwegs passende" Kostenposition des Leistungsverzeichnisses in Ansatz gebracht werden, die im Einzelfall gar nicht angefallen ist. Es handelt sich dabei auch nicht lediglich - wie die Beklagte meint - um eine unschädliche Falschbezeichnung.

3.

Hinsichtlich des Regenwasseranschlusses ist die Festsetzung eines Kostenerstattungsbetrags bereits dem Grunde nach zu beanstanden. Der Einzelrichter hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Beklagte von einer Erneuerungsbedürftigkeit des Regenwasseranschlusskanals ausgehen durfte.

Nach Nr. 3.4 BFR liegt die technische Lebensdauer bei Betonleitungen für Regenwasser bei 40 bis 60 Jahren (Nr. 3.4 BFR). Naheliegend erscheint dem Einzelrichter unter Zugrundelegung der Angaben der Beteiligten, dass diese Zeitspanne zum Zeitpunkt der Feststellung der Sanierungsbedürftigkeit in 2015 noch nicht überschritten war. Anders als bei der Schmutzwasserleitung erscheint die Annahme abwegig, dass eine Verlegung von Betonrohren (wie bei den Steinzeugrohren für Schmutz- bzw. Mischwasser) bereits ab 1912 erfolgt sein könnte oder gar bereits bei Errichtung des Hauses 1852. Betonrohre gibt es als innovatives Produkt überhaupt erst seit etwa 1850 (https://de.wikipedia.org/wiki/Betonrohr). Zudem dürfte bis zur Einführung einer Trennkanalisation eine ältere Anschlussleitung aus Steinzeug sämtliche Entwässerungsfunktionen für das Grundstück übernommen haben. Die Beklagte vermutet - ohne dies näher spezifizieren zu können - dass eine Trennkanalisation in I. (erstmalig) in den Jahren zwischen 1956 und 1969 eingeführt wurde. Der Kläger geht von einer Erneuerung der Straße nebst Kanälen in 1970 aus. Bei allen Angaben war die Zeitspanne der erwartbaren technischen Lebensdauer in 2015 noch nicht abgelaufen. Bereits dies spricht eher gegen eine Erneuerungsbedürftigkeit.

Bei der in 2015 durchgeführten Kamerabefahrung wurden Muffenversätze festgestellt. Eine Gesamtsanierungsbedürftigkeit konnte nach Einschätzung des Einzelrichters bei diesem konkreten Kamerabefund nicht bejaht werden. Die vom Einzelrichter im Detail gesichtete Videoaufnahme zeigt das Bild einer wohl nicht völlig dichten, ansonsten aber weitgehend intakten Leitung. Das hier in absehbarer Zeit von einer Funktionseinschränkung ausgegangen werden konnte, die zu einer Störung der Ortsentwässerung führen würde, vermag der Einzelrichter nicht anzunehmen. Die (möglichen) Undichtigkeiten zeigen sich ausschließlich an den "Nahtstellen", an denen die einzelnen Betonrohre ineinandergreifen ("Muffenversätze"). In Fließrichtung - also gegen die Kamerarichtung - stellen sich die Versätze als absteigend kaskadenartig dar, so dass unten im Rohr fließendes Wasser beim Übertritt zum nächsten Betonrohr nicht etwa in den Boden gelangt, sondern - da es sich den einfachsten Weg sucht - schlichtweg in das nächste Betonrohr. In ihrer Ausdehnung jenseits der Muffen weisen die einzelnen Betonrohre aber keinerlei sichtbare Schadstellen auf. Infolge kleinerer Undichtigkeiten an den Nahtstellen drohen bei einer Regenwasserleitung auch keine Unzuträglichkeiten wie diejenigen, die bei einer Schmutzwasserleitung auf der Hand liegen. Bei der Regenwasserableitung geht es lediglich darum, unbelastetes Niederschlagswasser schadlos einer Vorflut außerhalb des Kanalnetzes und damit letztlich den natürlichen Fließgewässern zuzuleiten. Dass bei Undichtigkeiten einerseits Ausspülungen unter Fahrbahn und Gehweg drohen sollen und Sand in das Rohrsystem gelange, der anschließend herausgespült werden müsse, kann der Einzelrichter jedenfalls bei dem konkret vorgefundenen Schadensbild nicht nachvollziehen. Selbst bei bordvoller Wasserführung infolge von starkem Regen dürfte ausdringendes Niederschlagswasser bei den allenfalls denkbaren kleineren Leckagen an den Übergangsbereichen einzelner Rohre wohl eher schadlos versickern, als - wie von der Beklagten befürchtet - den Gehweg oder die Fahrbahn unterspülen. Auch von einem nennenswerten Eintrag von Sand oder anderen Sedimenten vermag der Einzelrichter nicht auszugehen. Da die ineinander geschobenen Betonrohre lediglich Muffenversätze aufweisen, ist ein Eindringen von Sand oder anderen Sedimenten an diesen Stellen - wie bei einer Sanduhr - eher schwerlich vorstellbar. Bei der Kamerabefahrung waren solche Einträge auch nicht zu erkennen, was aber zu erwarten gewesen wäre, wenn die Befürchtungen der Beklagten zuträfen.

Der Einwand der Beklagten, es sei mit Blick auf den Hochwasserschutz nicht hinzunehmen, dass die hydraulischen Berechnungen für die Einleitung in die Vorflut unzutreffend sind, erschließt sich dem Einzelrichter schon nicht. Es leuchtet nicht ein, dass durch ein "hermetisch dichtes" Regenwasserkanalnetz gewährleistet werden müsste, dass die errechneten Wassermengen auch tatsächlich ungeschmälert in der Vorflut ankommen. Treten "unterwegs" zur Vorflut durch Versickerungen aus Kleinstleckagen "Verluste" auf, gefährdet dies die Funktionsfähigkeit der Ortsentwässerung ersichtlich nicht. Kleinere Undichtigkeiten bzw. Leckagen, die zu einer bei gesammelter Fortleitung von Niederschlagswasser an sich nicht gewollten Versickerung auf dem Weg zum Gewässer führen, erscheinen vielmehr durchaus hinnehmbar. Nicht umsonst ist eine wiederkehrende Dichtheitsprüfung für Grundleitungen und Schächte, in denen ausschließlich Niederschlagswasser abgeleitet wird, nach der maßgeblichen DIN 1986-30 (Stand: Februar 2012, S. 18, Nr. 10.1.1) gerade nicht vorgesehen. Dem liegt erkennbar die Überlegung zugrunde, dass undichte Regenwasserleitungen ein ungleich geringeres Gefährdungspotential aufweisen, als undichte Schmutzwasserleitungen. Wasserrechtlich gilt nach § 55 Abs. 2 WHG zudem, dass Niederschlagswasser ortsnah versickert, verrieselt oder direkt oder über eine Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer eingeleitet werden soll, soweit dem weder wasserrechtliche noch sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften noch wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen. Die ortsnahe Versickerung von unbelastetem Niederschlagswasser ist mit dessen Einleitung in ein Gewässer rechtlich zumindest gleichwertig (vgl. Zöllner, in: Sieder u. a., Wasserhaushaltsgesetz/Abwasserabgabengesetz-Kommentar, Stand: August 2022, § 55 WHG Rn. 33). Auch dies spricht nach Auffassung des Einzelrichters dagegen, es beim Aufspüren und Beheben von Undichtigkeiten in Regenwasserleitungen "zu übertreiben". So liegt es aber, wenn in wenig nachhaltiger Weise weitgehend intakte alte Betonrohrregenwasserleitungen entfernt und entsorgt werden, um sie durch aktuell gängige Polypropylenrohre zu ersetzen.

Letztlich hat der Einzelrichter den Eindruck gewonnen, dass es bei der Sanierung auch der Regenwasseranschlusskanäle in erster Linie darum ging, alle Arbeiten an der Straße und an der gesamten Kanalisation "in einem Rutsch" zu erledigen und die Kanalisation insgesamt den aktuellen technischen Richtlinien anpassen zu wollen. Dies reicht für die Annahme der Erneuerungsbedürftigkeit eines Regenwasseranschlusskanals per se aber nicht aus. Anders mag es hinsichtlich des der Gemeinde zustehenden Einschätzungsermessens liegen, wenn eine "vorgezogene Sanierung" auf Wunsch oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Grundstückseigentümers im Zuge ohnehin vorzunehmender Arbeiten an der Straße erfolgt, um etwa zu einem späteren Zeitpunkt anfallende und dann vermutlich höhere Kosten zu vermeiden. Anders mag es auch sein, wenn der Zustand eines noch intakten Regenwasseranschlusskanals erwarten lässt, dass bereits in kürzerer Zeit die gerade in der Sanierung befindliche Straße erneut aufgerissen werden müsste, um den Anschluss dann zu erneuern. Von einer solchen Situation hat sich der Einzelrichter hier aber gerade nicht überzeugen können.

4.

Eine weitere Kürzung des Kostenerstattungsbetrages ist bei den angesetzten Kosten für Bauaufsicht/Abrechnung/Verwaltung vorzunehmen, die nur ansatzfähig sind, soweit sie den tatsächlich sanierungsbedürftigen Schmutzwasseranschluss betreffen.

Nicht zu den nach § 8 Satz 1 NKAG und damit § 20 Satz 1 ABAS erstattungsfähigen Kosten gehören allgemeine Verwaltungs-, Bauleitungs- sowie Personalkosten für den Einsatz schon vorhandener eigener Dienst- und Arbeitskräfte. Überträgt die Gemeinde allerdings die Durchführung der Maßnahme rechtlich verselbstständigten Stadtwerken, können die Personalkosten hingegen wie die eines privaten Unternehmers in Rechnung gestellt werden (vgl. Unkel, a. a. O. § 10 Rn. 40 m. w. N.). So liegt es hier, so dass die Kosten für Bauaufsicht/Abrechnung/Verwaltung dem Grunde nach in Ansatz gebracht werden können. Allerdings entfallen von den angesetzten Kosten auch Kosten auf die Sanierung des Regenwasseranschlusses. Der Einzelrichter hält eine Kürzung um die Hälfte für geboten. Dafür, dass der Aufwand in unterschiedlicher Höhe dem Schmutzwasseranschluss einerseits und dem Regenwasseranschluss andererseits zuzurechnen wäre, bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Zugrundelegung eines Umsatzsteuersatzes von 19 % anstelle der vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 eingeführte befristete Absenkung des allgemeinen Steuersatzes auf 16 % ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es kommt insoweit auf den Zeitraum der Leistungsausführung an, der vor dem 1. Juli 2020 lag. Das Verwaltungsgericht München (Beschl. v. 15.10.2021 - M 11 M 21.30892 -, juris Rn. 17) führt insoweit aus:

"Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, welcher Steuersatz zugrunde zu legen ist, ist derjenige, in dem der jeweilige Umsatz "ausgeführt" wird. Dies ergibt sich aus der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG, wonach Änderungen des UStG, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 UStG anzuwenden sind, die ab dem Inkrafttreten der maßgeblichen Änderungsvorschrift "ausgeführt" werden. Weder dem Wortlaut des § 28 UStG noch der Gesetzesbegründung zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz (vgl. BR-Drs. 329/20 S. 25 f.) kann insoweit entnommen werden, dass auf einen anderen Zeitpunkt als denjenigen der Leistungsausführung abzustellen sein soll (im Ergebnis ebenso Weymüller, in BeckOK UStG, 28. Edition, Stand 16.02.2021, § 28 Rn. 8; Klenk, in Sölch/Ringleb, UStG, Werkstand 90.EL Oktober 2020, § 28 Rn. 6)."

Dieser überzeugenden Argumentation schließt sich der Einzelrichter an.

Insgesamt ergibt sich mithin eine Kürzung des von der Beklagten festgesetzten Kostenerstattungsbetrages um 2.501,05 EUR (125,00 EUR netto beim Schmutzwasseranschluss, 1.879,67 netto beim Regenwasseranschluss und 97,05 EUR netto bei den Verwaltungskosten, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer von 19 %), so dass die Festsetzung aufzuheben ist, soweit sie einen Betrag i. H. v. 1.906,95 EUR übersteigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.