Beschluss vom 11.05.2023 -
BVerwG 10 B 2.23ECLI:DE:BVerwG:2023:110523B10B2.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.05.2023 - 10 B 2.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:110523B10B2.23.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 2.23

  • OVG Münster - 03.02.2022 - AZ: 20 D 122/20.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Mai 2023
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. Februar 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wandte sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten zum "Bau der Hochwasserschutzanlage Himmelgeister Rheinbogen in Düsseldorf-Himmelgeist zwischen Rhein-km 723,9 und 728,9 rechtes Ufer". Das Oberverwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit der Kläger hilfsweise beantragt hat, den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sei bereits formell rechtswidrig. Er leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1a UmwRG. Zudem sei er materiell rechtswidrig, weil er gegen zwingende und damit im Wege der Abwägung nicht zu überwindende Vorschriften, nämlich § 77 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG sowie Art. 4 Abs. 1 WRRL, verstoße.

2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

II

3 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4 Es kann dahinstehen, ob der Rechtssache die ihr von dem Beklagten beigemessene grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die von ihm aufgeworfenen Fragen zukommt,
ob es sich bei § 77 Abs. 2 WHG um zwingendes Recht oder um ein planungsrechtliches Optimierungsgebot, welches im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen ist, handelt,
ob § 77 Abs. 2 WHG dahingehend auszulegen ist, dass es sich bei sämtlichen Flächen unmittelbar hinter dem Deich um berücksichtigungswürdige "frühere" Überschwemmungsgebiete handelt oder eine - zeitliche oder räumliche - Einschränkung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift geboten ist und wie die Grenzen eines "früheren Überschwemmungsgebietes" zu bestimmen sind
und
ob das Fehlen einer "nachvollziehbaren Prüfung" der Anforderungen des Verbesserungsgebotes nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG, Art. 4 Abs. 1 WRRL zu einem Verfahrensfehler oder zu einem materiell-rechtlichen Rechtsverstoß führt.

5 Selbst wenn es sich hierbei um klärungsfähige und -bedürftige Fragen des revisiblen Rechts handelte, wäre die Revision nicht zuzulassen.

6 Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil selbständig tragend auf die weitere Erwägung gestützt, der Planfeststellungsbeschluss sei rechtswidrig, weil die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden seien. Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2020 - 4 BN 53.19 - juris Rn. 15 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.